Überlastungsanzeige und Gefährdungsanzeige Wie setzt du als Beamter oder Tarifbeschäftigter deinen Gesundheitsschutz durch?
Eine Überlastungsanzeige ist die formale Meldung, dass die aktuellen Arbeitsbedingungen nicht mehr sicher, gesund oder pflichtgemäß zu bewältigen sind. Sie dient als Frühwarnsystem für dich selbst, für dein Team und für die Organisation.
Im Ratgeber erfährst du verständlich, wie du dich rechtlich absicherst, wann eine Gefährdungsanzeige sinnvoll ist und wie Arbeitgeber reagieren müssen.
1. Was ist eine Überlastungsanzeige?
Eine Gefährdungsanzeige (auch Überlastungsanzeige genannt) ist ein schriftlicher Hinweis an deinen Arbeitgeber, dass bestimmte Arbeitsbedingungen zu Risiken führen , wie etwa Zeitdruck, Personalausfall, körperliche Belastung, unzureichende Ausstattung oder Konfliktsituationen.
Sie erfüllt zwei Funktionen:
Schutz deiner Gesundheit: Du machst transparent, dass deine Arbeit unter den aktuellen Bedingungen nicht sicher erledigt werden kann. Du zeigst auf welche Risiken bestehen und welche Folgen drohen, wenn nichts geändert wird.
Absicherung im Schadensfall: Wenn trotz deines Hinweises etwas passiert, schützt dich die Anzeige vor möglichen arbeits-, zivil- oder strafrechtlichen Folgen.
Das Arbeitsschutzgesetz gibt dir ausdrücklich das Recht, auf Missstände hinzuweisen (§ 17 ArbSchG). Ignoriert dein Arbeitgeber das, darfst du sogar die Aufsichtsbehörden einschalten ohne Nachteile befürchten zu müssen. Arbeitgeber müssen für sichere Arbeitsbedingungen sorgen und auf Hinweise reagieren.
In manchen Bereichen spricht man daher lieber von Gefährdungsanzeige, weil der Begriff besser trifft, worum es wirklich geht: die Meldung einer Gefahrensituation, nicht eines persönlichen „Versagens“.
2. Wann spricht man im Job überhaupt von Überlastung?
Überlastung heißt nicht, dass jemand „nicht leistungsfähig genug“ ist. Es geht darum, dass die Aufgaben im Verhältnis zu Zeit, Personal oder Ausstattung nicht mehr sicher zu bewältigen sind. Das passiert oft, wenn:
Stellen unbesetzt bleiben
Schichten krankheitsbedingt ausfallen
Arbeitsprozesse verdichtet werden
mehr Verantwortung getragen werden muss, ohne dass Ressourcen steigen
Die Folge ist oft ein Mix aus Dauerstress, Fehlergefahr und gesundheitlicher Belastung. Genau dann bist du verpflichtet, deinen Arbeitgeber zu informieren (§ 15, § 16 Abs. 1 ArbSchG).
3. Welche Bereiche sind am meisten von Überlastung betroffen?
Überlastung ist längst kein Einzelfall mehr. Besonders gefährdet sind Berufe mit hoher Verantwortung, hohem Zeitdruck oder psychischer Belastung:
Gesundheits- und Pflegeberufe: Schichtdienste, fehlendes Personal, hohe Verantwortung für Patientinnen und Patienten.
Soziale Arbeit: Konfliktbeladene Situationen, emotional belastende Einsätze, Zeitdruck.
Öffentlicher Dienst: Bürgerämter, Jugendämter, Verwaltungsdienst oft mit Konflikten und hoher Taktung.
Logistik und Zustellung: Zeitdruck, körperliche Belastung, Aggressionen im Kundenkontakt.
Einzelhandel, Verkehr, Bildung: Lärm, schwere Arbeit, Mehrfachbelastungen.
Viele Beschäftigte im Dienstleistungssektor kämpfen gleichzeitig mit mehreren Stressfaktoren: Hektik, Lärm, körperliche Beanspruchung, Konflikte. Genau diese Kombination erhöht das Gesundheitsrisiko massiv. Ein klassischer Anlass für eine Gefährdungsanzeige.
4. Wer darf eine Überlastungsanzeige einreichen?
Grundsätzlich jede beschäftigte Person unabhängig von Rolle oder Hierarchie.
Führungskräfte können genauso betroffen sein wie Sachbearbeiter. Beamte, wie Tarifbeschäftigte können gleichermaßen eine Anzeige einreichen.
Für Tarifbeschäftigte sind individuelle Anzeigen empfohlen, weil sie die persönliche Situation besser abbilden.
Für Beamtinnen und Beamte sind kollektive Anzeigen unzulässig, da sie den individuellen Haftungsmaßstab verfälschen würden.
5. Was beinhaltet eine Überlastungsanzeige?
Für eine wirksame Gefährdungsanzeige brauchst du eine klare, gut nachvollziehbare Schilderung. Halte fest, was genau passiert ist, wann es passiert ist, wer beteiligt war und welche Umstände zur Gefahr geführt haben. Dazu gehören typische Ursachen wie fehlendes Personal, technische Ausfälle oder zu lange Arbeitszeiten. Wenn Kolleginnen oder Kollegen den Vorfall gesehen haben, nimm sie als Zeugen auf.
Sehr wirksam ist es, wenn ihr die Anzeige gemeinsam als Team einreicht. Das zeigt, dass nicht einzelne Personen überfordert sind, sondern Rahmenbedingungen nicht stimmen. Betriebsrat, Personalrat oder Gewerkschaft können dich zusätzlich unterstützen. Gleichzeitig erkennt der Arbeitgeber, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt.
Unten im Ratgeber findest du eine Muster Vorlage dazu.
Tipp:
Hol dir Unterstützung beim Personalrat, Betriebsrat oder einer Gewerkschaft (z. B. ver.di | dbb). Viele Beschäftigte stellen Anzeigen bewusst gemeinsam, damit die Situation nicht als Problem eines Einzelnen abgetan wird.
6. Warum hilft eine Überlastungsanzeige?
Viele Einrichtungen berichten, dass sich die Zahl der Anzeigen in den letzten Jahren vervielfacht hat. Dennoch bleibt die Dunkelziffer hoch, weil Beschäftigte Nachteile befürchten. Diese Sorge ist verständlich, aber juristisch unbegründet. Die Meldung einer Gefahr ist Pflicht und darf nicht negativ bewertet werden.
Für deine rechtliche Absicherung
Wenn es durch die Arbeitsbedingungen zu Fehlern, Verzögerungen oder Schäden kommt, bist du nicht automatisch persönlich haftbar. Du hast die Gefährdung mitgeteilt.Für den Schutz deiner eigenen Gesundheit
Dauerbelastung kann zu Fehlzeiten, Erschöpfung und gesundheitlichen Folgen führen. Der Arbeitgeber muss solche Risiken abstellen.Für den Schutz von Dritten
Besonders in Pflege, Kitas, Schulen oder Behörden besteht die Gefahr, dass andere Menschen zu Schaden kommen könnten. Diese Risiken musst du unverzüglich melden § 16 Abs. 1 ArbSchG i. V. m. § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG (psychische Belastung).Für einen Anstoß für Verbesserungen
Häufen sich Anzeigen im Team, ist das ein klarer Hinweis auf Organisationsprobleme. Der Arbeitgeber muss nachbessern.Um nachhaltig Arbeitsbedingungen zu verbessern
Die Meldung löst einen Prüfprozess aus, der strukturelle Probleme sichtbar macht und Maßnahmen erzwingt.
Wichtig:
Kurzfristige Engpässe zählen nicht. Es geht um strukturelle, wiederkehrende oder absehbar dauerhafte Überlastung.
Für längerfristige Erkrankungen kann die Anzeige später als Grundlage für ein BEM-Verfahren dienen. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement ist ein Verfahren zur Wiedereingliederung von Mitarbeitern nach längerer Arbeitsunfähigkeit)
7. Was passiert nach Abgabe der Gefährdungsanzeige?
Sobald die Anzeige beim Arbeitgeber vorliegt, muss er reagieren. Das bedeutet:
Arbeitsplatz prüfen
Maßnahmen ergreifen, z. B. Entlastung, neue Abläufe, Ausstattung, Personalplanung
Gefährdungsbeurteilung aktualisieren
Wirksamkeit überprüfen
Du musst weiter sorgfältig arbeiten, aber du hast deinen Teil getan, um Schäden zu verhindern.
Kommt es nach der Anzeige zu Benachteiligungen, ist sofort die Arbeitnehmervertretung einzuschalten. Droht dein Arbeitgeber mit Konsequenzen, ist das rechtswidrig. § 612a BGB schützt dich vor Benachteiligung. Eine Überlastungsanzeige darf nicht sanktioniert werden.
8. Welche Pflichten haben Arbeitgeber | Dienstherren im Arbeitsschutz?
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht (§ 618 BGB). Sie müssen Gefährdungen erkennen, vermeiden und Maßnahmen treffen, wie etwa Schulungen, sichere Arbeitsmittel, klare Abläufe und eine Gefährdungsbeurteilung durchführen (§ 5 ArbSchG). Sie müssen Arbeit so gestalten, dass physische und psychische Risiken gering bleiben.
In größeren Organisationen ist oft der Dienstweg einzuhalten. Die Mitteilung geht also direkt an die Führungskraft.
Wer erstellt die Gefährdungsbeurteilung?
Die Gefährdungsbeurteilung ist verpflichtend für jeden Arbeitgeber, egal ob Kleinstbetrieb oder großer Träger. Sie muss regelmäßig aktualisiert werden, besonders wenn:
sich Aufgaben ändern,
neue Arbeitsmittel eingeführt werden,
es Beschwerden oder Gefährdungsanzeigen gibt,
neue Risiken erkennbar sind (z. B. psychische Belastungen).
Oft beteiligen sich Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und der Betriebs- oder Personalrat.
9. Wie schreibst du eine Gefährdungsanzeige richtig?
Eine feste Form gibt es nicht. Wichtig ist, dass du die Situation nachvollziehbar beschreibst.
Orientiere dich dabei an folgenden Schritten:
Belastung dokumentieren
Notiere, was wann passiert ist.Fall schildern
Was genau war nicht mehr sicher möglich?
Beispiele: keine Pause, dauerhafte Überstunden, Ausfälle im Team, zu schwere Lasten, Lärm, Konflikte, unzureichende Anleitung.Folgen benennen
Welche Risiken entstehen für Mitarbeitende oder Dritte?Zeugen angeben
Das stärkt die Glaubwürdigkeit.Hinweise auf vorherige Meldungen ergänzen
Falls du oder das Team schon früher etwas gemeldet hast.Abhilfe verlangen
Bitte klar um schnelle Reaktion.Unterschrift, Datum, Kopien
Eine Gefährdungsanzeige ist eine Urkunde, also unbedingt kopieren.
10. ➔ Überlastungssanzeige Vorlage
Name, Vorname, Dienststelle
Datum
An
[zuständige Führungskraft]
Zur Kenntnis an:
Personalrat (ggf. Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretung, JAV)
Überlastungsanzeige
Sehr geehrte Frau / sehr geehrter Herr [Name],
hiermit weise ich auf eine Situation hin, die eine sichere Arbeitsausführung aktuell nicht zulässt. Ich melde diese Situation, um Nachteile für die Dienststelle und mein Beschäftigungsverhältnis zu verhindern.
Ich stelle ausdrücklich klar, dass mögliche Fehler, Verzögerungen oder Qualitätsmängel aus der unten genannten Überlastung entstehen können und nicht auf persönliches Fehlverhalten von mir zurückzuführen sind. Sowohl eventuelle Ansprüche auf Regress von Seiten Dritter als auch arbeits- bzw. dienstrechtliche Sanktionsmaßnahmen weise ich vorsorglich zurück.
Ausgebüte Tätigkeit / Funktion: ____________________________
(Welche Tätigkeit kann nicht mehr vollumfänglich | fristgerecht geleistet werden)
Überlastungsmerkmale: ____________________________ ____________________________
Am ____________________________ kam es zu folgender Belastung:
Im Zeitraum von ____________________________ bis ____________________________ kam es zu folgenden Belastungen:
Ursachen / Auslöser (auch mehrere möglich): ____________________________
(siehe FAQ)
Mögliche dienstliche Folgen: ____________________________ ____________________________
(z. B. siehe FAQ | längere Bearbeitungszeiten, Beschwerden, Fristüberschreitungen, Risiken für Regressforderungen):
Persönliche Auswirkungen: ____________________________ ____________________________
(z. B. gesundheitliche Belastungen, mögliche Fehlzeiten, Überlegungen zu einem Tätigkeitswechsel innerhalb oder außerhalb der Dienststelle):
Mögliche Auswirkungen auf Beschäftigte oder Dritte: ____________________________
Frühere Vorfälle | Hinweise: ____________________________
Opt. Verbesserungsvorschläge | org. Maßnahmen: ____________________________
Die oben genannten Punkte werden von ____________________________ bestätigt
und belegt durch:____________________________ (folgende Dokumente | Beweise)
Ich bitte um zeitnahe Maßnahmen, die zu einer spürbaren Entlastung führen.
Grundsätzlich bin ich weiterhin bereit, meine Aufgaben wie bisher wahrzunehmen.
oder (entsprechendes streichen)
Bitte ich zum Zuweisung entsprechender Tätigkeiten innerhalb meines bestehenden Arbeitsvertrags. Mein besonderes Interesse gilt folgender Tätigkeit: ____________________________
Mir ist wichtig zu betonen, dass ich weiterhin alle Pflichten erfülle und Schaden vermeiden möchte.
Für ein Gespräch stehe ich in Anwesenheit eines von mir benannten Mitglieds des Personalrats
(Frau | Herr ____________________________) jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[Name]
Anlagen:
FAQ zum Thema Überlastungsanzeige
Welche typischen Gründe führen zu Überlastung?
Häufige Auslöser:
ungeplanter Personalausfall
unbesetzte Stellen
Mehrarbeit und Arbeitsverdichtung
zusätzliche Projekte ohne Ressourcen
fehlende Einarbeitung
räumliche oder technische Defizite
permanente Störungen (Telefon, Publikumsverkehr, Geräuschkulisse)
Verletzung von Pausen- und Ruhezeiten
Aufgaben außerhalb der regulären Arbeitszeit
Welche Folgen können durch Überlastung entstehen?
Dienstlich:
steigende Fehlerquote
Qualitätsverlust
Terminverzug
Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit
Störung des Arbeitsfriedens
finanzielle Schäden
Persönlich:
Erschöpfung, Stress, Schlafprobleme
Verlust von Pausen
Konzentrationsschwierigkeiten
gesundheitliche Beschwerden
Belastung des Privatlebens
Hilft die Anzeige auch, wenn psychische Belastungen überwiegen?
Ja. Psychische Risiken gehören ausdrücklich zur Gefährdungsbeurteilung.
Muss ich vorher mit meinem Vorgesetzten reden?
Nein, aber es hilft oft. Die Anzeige ersetzt kein Gespräch, macht aber Missstände unübersehbar.
Wann sollte ich eine Gefährdungsanzeige schreiben?
Sobald eine Situation objektiv gefährlich oder gesundheitsschädlich ist und du sie nicht allein lösen kannst.
Bin ich verpflichtet, eine Überlastungsanzeige zu stellen?
Ja.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG bist du verpflichtet, auf Gefährdungen hinzuweisen.
Wer trotz erkennbarer Überlastung nichts sagt, riskiert eigene Haftungsprobleme.
Kann ich eine Gefährdungsanzeige anonym machen?
Sie sollte offiziell und schriftlich erfolgen. Gemeinsam mit dem Team ist sie wirkungsvoller.
Kann mir durch eine Überlastungsanzeige ein Nachteil entstehen?
Nein. Das Arbeitsschutzgesetz schützt dich ausdrücklich vor Benachteiligungen.
Was kann ich tun, wenn sich durch meine Überlastungsanzeige nichts ändert?
Dann kannst du die zuständige Behörde informieren und solltest dir Unterstützung beim Betriebsrat oder der Gewerkschaft holen.
Warum schützt mich die Anzeige rechtlich?
Weil du dokumentierst, dass du auf Gefährdungen hingewiesen hast und nicht fahrlässig gehandelt hast. Durch das Unterlassen der Anzeige kann sogar ein erhebliches Mitverschulden (§ 254 BGB) entstehen.
Wie lange muss ich die Überlastungsanzeige aufbewahren?
Mindestens drei Jahre – das entspricht der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB).
In dieser Zeit kann sie als Beweismittel dienen.
Welche Rechtsgrundlagen sind relevant für eine Gefährungsanzeige?
Zentrale Vorschriften sind:
ArbSchG: §§ 3–5, 15, 16, 17
Grundpflichten des Arbeitgebers (§ 3 ArbSchG)
Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG)
Pflicht der Beschäftigten, Gefahren zu melden (§ 15 und § 16 ArbSchG)
BGB: §§ 241, 242, 254, 611
Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB)
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 618 BGB)
Mitverschulden bei Unterlassung (§ 254 BGB)
BeamtStG: §§ 36, 47, 48
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit (§ 36 BeamtStG)
Nichterfüllung von Pflichten (§ 47 BeamtStG)
Pflicht zum Schadensersatz (§ 48 BeamtStG)
Sie regeln Verantwortung, Fürsorgepflicht, Rechte und Pflichten im Gefährdungsfall.